Christian Bär

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Biography

born 1989 in Stuttgart
lives and works in Leipzig

Exhibitions

(S) soloshow, T (two person show), (G) groupshow, (C) catalogue

2024

  • February Painting, Galerie Hafemann, Wiesbaden (G)
  • strive thrive arrive, Galerie Burster, Berlin (G)

2023

  • Cocktail to go, Galerie Parkhaus, Darmstadt (G)
  • New friends in color, Evelyn Drewes Galerie, Hamburg (G)
  • Parallel Vienna, Galerie Tassilo Usner, Vienna (G)
  • anything left to do, Galerie b2_, Leipzig (G) (C)
  • Chating with Demons, Berlinskej Model, Prag (G)
  • love is not love, Galerie Burster, Berlin (S)

2022

  • All I Want, Galerie Burster, Berlin (G)
  • words, mom art space, Hamburg (T)
  • la suée , Galerie b2_, Leipzig (G)
  • Dont Know Why – 15 Jahre Ortloff, Ortloff, Leipzig (G)
  • Art Karlsruhe with Galerie Burster, Karlsruhe (G)
  • A5, AS__EM, Leipzig (G)
  • Nowadays, Galerie Burster, Karlsruhe (S)
  • Herberge, Spriten kunsthall, Skien, Norwegen (G)(C)
  • Neuzugänge zeitgenössischer Kunst im Kunstfonds 2020/21, Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund, Berlin (G)
  • Lazy Load, Flamingo Artspace, Reutlingen (T)
  • Endlich keine Freunde Mehr, Galerie b2_, Leipzig (S)(C)

2021

2020

2019

  • 5 Paintings in Athen, CK_Offspace, Athen (S)
  • at the car dealer, Leipzig (G)(C)
  • NEED NEW FLAT, Atelier Scheune Rixdorf, Berlin (with Norbert Reissig) (T)
  • Codec Romantic, NEW NOW, Frankfurt (T)
  • Friendly Waves, tête, Berlin (G)
  • I ain't though, Ortloff, Leipzig (G)

2018

2017

2016

2015

  • back on, top soon, Lindenow Festival, Energiekombinat, Leipzig (G)
  • 8th International Printmaking Workshop, Faculty Of Fine Arts, Belgrade (G)
  • Diplomausstellung, Leipzig (G)
  • Diplom., Leipzig (S)

2014

  • &, Werkschauhalle Leipzig (G)
  • Nominierung, Studienstiftung des Deutschen Volkes, Berlin (G)

2013

  • LEIPZIG & BREMEN, Galerie der HfK Bremen (G)
  • Luci Luci, Internationaler Projektraum für Druckgrafik, Leipzig (T)
  • Prints made in Leipzig, Budapest (G)

Education

2015

Academy of Fine Arts (HGB), Leipzig
Prof. Ingo Meller

Diploma with distiction, Academy of Fine Arts (HGB), Leipzig

Public Collections

Sammlung Hildebrand, G2 Kunsthalle, Leipzig

Staatliche Kunstsammlung Dresden

Kunstmuseum Reutlingen

Scholarships/ Prices

2021

  • Ankäufe des Freistaates Sachsen

2020

  • Neustart, BBK Bundesverband
  • Kulturförderung des Freistaates Sachsen

2017

  • Kulturförderung der Stadt Leipzig

Projects

since 2015 Bistro 21

since 2008 part of Klasse 3h

tell me how you really feel
Johannes Listewnink, 2021


Putz bröckelt von der Wand, doch das gleichfalls erprobt wie mühelos wirkende Schwenken des bauchigen Glases teilt mit, dass der Rotwein gut ist. Schon diese Geste zeigt mehr als tausend Worte, das minimal konstruierte Setting hinzugenommen könnte solch eine kurze Beschreibung den Stoff einer Romantrilogie bilden. Weil es unzählbare Kombinationen gibt, um Informationen zu einer Narration zusammenzufassen, ist es umso ärgerlicher, dass bei erzählender Malerei meistens an halbwegs realistische Figuren, die in einem lokalen, temporalen und/oder modalen Zusammenhang stehen, gedacht wird. Vielleicht wird ein Stillleben oder ein Interieur noch erzählend genannt, alles andere wird jedoch schnell als nicht-erzählerisch, kontextuell oder leider gleich als abstrakt, ungegenständlich, konkret bezeichnet. Dabei zeigen Literatur und Songs seit Jahrhunderten ständig, dass es darum geht, wie etwas erzählt wird, dass Narration sich aus Klängen, Fetzen, Fragmenten, Eindrücken zusammensetzt, dass Klang eine Erzählung bildet. Es sollte bekannt sein, dass das Wie dabei niemals bloß die technisch korrekte, handwerklich feine oder präzise Ausführung umfasst, sondern die Übertragung der Informationsmenge in einen passenden Sound münden muss und dass dieses Wie also mit einer Ansammlung von affizierenden, die Rezipienten bindenden Elementen des jeweiligen Mediums, den passende Gestaltungsmittel aller couleur, zusammenfällt.

Dass Christian Bär erkannt hat, dass er nur einen mittelmäßigen Singer-Songwriter abgibt, ist für seine Gemälde eine vielgestaltige Bereicherung, denn aus diesem Bewusstsein heraus hat er zunächst lange an seinem Sound gearbeitet. Klar sollte der zeitgenössisch, vielfältig, eklektizistisch im guten Sinne sein, Romanze mit Ironie, Wohlstand mit Angst, Wohlfühlatmosphäre mit Wut verbinden. Nachdem er aus dem Vollen des letzten Jahrhunderts geschöpft hat, sich Optik und Ideen verschiedenster Epochen bedient und sie verarbeitet hatte, war da ein Klang in seinen Gemälden, frisch, fies, verspielt, manchmal frotzelnd und süffisant, manchmal aufklärerisch definierend, technoid und handgemacht in einem, ständig sich selbst suchend und gewiss, dass dieses Finden eines angemessenen Sounds seine künstlerische Arbeit ausmacht.

Das tut weh, Sirenen im Ohr, Lila klatscht auf Schwarz und wird von Mistbraun verdrängt, in Ockerbrei vermischt, Autolärm und dann dahinten nichts als das sanfte Rauschen des Stadtflusses im Stadtpark, ruhiges Dunkelblau auf Schwarz, sanft aufgetragenes Grau, innehalten, durchatmen und genießen, dann Fullspeed und im Helikopter über die endlosen Demonstrationen hinweg, Rotor krach, rote Schlieren und rosa Tropfen, Wortfetzen, Echos von Parolen oder Liebeserklärungen, zärtliches Grün auf grundiertem Stoff, vermittelnde Lasuren, eklige Pfützen aus terpentinverzerrtem Burgunderrot, eine Blüte entsteht, da ein Auflachen, die Pflanzen verwelken und alles in der richtigen Reihenfolge am richtigen Platz, rough arrangiert, stimmig komponiert.

Schon früher war ein Verweis auf Narration in Christian Bärs Gemälden zu finden, wenn auch manchmal nur in den Bildtiteln. In den neuen Arbeiten aber ist das Bekenntnis zur Aussage viel größer. Gegenständliche Zeichnungen lassen sich erkennen, Texte fliegen herum, Zitate aus anderen Bildern bleiben deutlich und dies verfügt nun darüber, dass jede Geste, Pinselspur, Farbpfütze und Kleckerei, jedes Rechteck und jeder Balken eine Rolle in der Erzählung bekommen. Offensichtliche Kontingenz der künstlerischen Praxis wird umgearbeitet zu einem geordneten Fluss klanglich interpolierter Elemente. Das ist klar eine abstrakte Erzählweise, lyrisches Denken und Schildern wird in diesen Gemälden gezeigt. Hier werden Aussagen vorbereitet, Informationen zu Plots verdichtet: Ich weiß, was Du gerade fühlst.

Die unzähligen Singer-Songwriter der lokalen Szene, die den Computer immer noch als etwas Anderes, als neues Werkzeug bestenfalls, ansehen und trotzdem versucht haben, irgendwie etwas vom Heute rüberzubringen, wurden der Bühne verwiesen. Kunstnebel und sporadisch-unerwartetes Strobo ist angeschaltet, hier wird jetzt eine Show gezeigt, in der jedes Effektgerät, Autotune über Rückkopplungs-Emulator bis Wah-Wah, seine Anwendung finden kann. Stück für Stück entwickelt sich ein Klangteppich, der es schaffen könnte, Teile von Allem zu thematisieren. Es gibt eben nowadays keine großen Erzählungen mehr, keine Wahrheiten, nur singuläre Informationshaufen, auf die sich Dank einzelner Narrationsangebote geeinigt werden kann. Wenn diese Angebote wie in den Gemälden Christian Bärs ästhetischen Regeln und nicht den jeweiligen ideologischen Grundsätzen folgen, können sie nicht nur speziell-anders die Welt zeigen und vermitteln, ihnen ist gleichfalls diplomatisches Vermögen inne. Malerei, vielleicht das Medium der Kontingenzdarstellung schlechthin, zeigt seit jeher, wie mit Informationen und Narrationen in der Gesellschaft umgegangen wird, welchen Stellenwert Beliebigkeit, also Mengen von unsortierten Informationen, und Wahrheiten, also verhandelte Narrationen, haben. Die Gemälde von Christian Bär haben einen Sound, mit dem sich die Stories von Jetzt, zwischen News-Feed, Verschwörungsmärchen, politischen Handlungsbedarf und moralischen Paradigmenwechseln, erzählen lassen. Sie fangen das diffuse Nebeneinander ein, fassen es zusammen und bereiten es so auf, dass sogar die Lücken und Gegensätze plötzlich verstehend genossen werden können.

Digital Natives
Annekathrin Kohout, 2021


Bei Digital Natives der ersten Stunde dürften einige Malereien von Christian Bär eine nostalgische Sehnsucht hervorrufen. Besonders jene, auf denen Striche – genauer noch: bestimmte Strichführungen – zu sehen sind, die unmittelbar an frühe Computergrafikprogramme wie Microsoft Paint erinnern. Die Einzigartigkeit der frühdigitalen Strichführung zeichnete sich dadurch aus, dass sie ungewollt kritzelig war, einzelne Linien grundlos unterbrochen wurden, ja dass diese wie die ersten Versuche einer Zeichnung aussahen, die niemals eine werden, sondern an der Schnittstelle von Kunst und Prokrastination verbleiben würde.

Digital Natives stehen vor einem Gemälde wie „Neo-Cowboy“ von Christian Bär also wie Caspar David Friedrichs Mönch vor dem Meer: sehnsüchtig in eine verloren geglaubte Weite blickend. Denn wenn die 90er-Jahre-Ästhetik der digitalen Stichführung auf etwas verweist, dann auf eine Zeit, in der der Cyberspace noch unergründet und weitgehend unbesiedelt war; als sich mit seiner Nutzung noch Möglichkeiten und Utopien aufspannten und eine demokratische Hoffnung verbunden war.

Nun bleibt es aber natürlich nicht bei dieser Referenz auf frühdigitale Zeiten, die außerdem in gegenwärtigen Apps wie Snapchat ohnehin eine Renaissance erfährt, wo über jedes nur denkbare Bild gekritzelt werden kann. Vielmehr ist die Strichführung in den Arbeiten Bärs mehrfach transformiert: farblich, in der Größe, vor allem aber in der Materialität lassen sie das Schwelgen in den Anfängen des Informationszeitalters schnell hinter sich. Seine Arbeiten sind aber keinesfalls rein postdigital, denn die Übertragung in Öl auf Leinwand erfolgt immer im Wechselspiel mit dem iPad: Schichten, die auf der Leinwand entstehen, werden digitalisiert und jene, die digital entstehen, auf die Leinwand übertragen. Auf dem iPad liegt das Bild nicht als Ganzes, sondern in einzelne Ebenen aufgeteilt vor. Für ein Grafikprogramm ist das auch üblich, für die Entstehung einer Malerei hingegen außergewöhnlich – vor allem für eine Malerei, die visuell an den Abstrakten Expressionismus anschließt und nicht, wie man bei auf diese Weise zusammengesetzten Gemälden vermuten würde, an den Konstruktivismus.

Dieses Spannungsverhältnis zwischen gestischer Anmutung und tatsächlicher Konstruiertheit ist den Bildern nicht nur inhärent, sondern auch anzushen. Denn auf die fertiggestellten Malereien hat das Arbeiten auf verschiedenen Ebenen einen interessanten Effekt: Sie gehen im Bild nicht ineinander auf, sondern bleiben als solche sichtbar, ja werden gewissermaßen zu separaten Figuren, die sich zueinander verhalten. Indem sie übereinander liegen, sind einige Ebenen sichtbarer als andere, Zustände früherer Schichten werden verdeckt oder bleiben sichtbar. Violette gestische breite Pinselstriche verbergen teilweise grüngelbe grafische Kreise und werden selbst von schwarzen Kritzeleien überlagert. So werden die Bedingungen des eigenen Schaffens stets präsent gehalten und mitthematisiert.

Die praktische Verschränkung digitalen und analogen Arbeitens, die Christian Bärs Bilder durch die verschiedenen Typen von Strichen und Strichführungen auch ästhetisch prägt, ist wiederum Ausdruck einer Entwicklung, die generell festzustellen ist. Anders als es oft vermutet wurde, führt die Digitalisierung nahezu sämtlicher Bereiche des Lebens nicht dazu, dass die analoge materielle, haptische Welt an Bedeutung verliert. Ganz im Gegenteil: Die einstige gedankliche und tatsächliche Trennung von digitalen und öffentlichen Räumen, von Immateriellem und Materiellem ist mittlerweile obsolet geworden – alles ist vielmehr unauflösbar miteinander verkoppelt. Mit aller Deutlichkeit zeigen die Arbeiten von Christian Bär technisch und ästhetisch diese intermediären Verschränkungen der Gegenwartskultur.